Study

Moderne Führungsstrukturen in Kanzleien

Wie ist Führung aktuell organisiert und was muss sich ändern?

Die aktuellen Führungsstrukturen in Kanzleien sind meist historisch gewachsen, international vorgegeben oder werden durch Rechtsform, Größe und Gewinnverteilungsmodell der Kanzlei bedingt. Dementsprechend ist auch die Führungskultur der Partner unterschiedlich. Wie die Führung in Kanzleien aktuell organisiert ist und wie (un)zufrieden die Kanzleien mit ihrer Führung sind, wurde im Rahmen der vorliegenden Studie zum ersten Mal erfasst und ausgewertet. Um ein umfassendes Bild zu erhalten, wurden sowohl Managing Partner, Partner sowie einige COO, Kanzleimanager und Personalleiter im deutschsprachigen Raum befragt.

Klassische und moderne Führungsstrukturen gleich verteilt

51% der teilnehmenden Kanzleien geben an, durch ein Management Team oder ein teilweise freigestelltes Management-Board supra pares geführt zu werden, 46% haben immer noch eine klassische oder funktionale Partnerschaft. Ein externes Management, bei dem auf C-Level Nicht-Juristen eingestellt werden, ist noch die Ausnahme.

Nur 3% der Kanzleien werden durch
ein externes Management geführt.

Viele Managementaufgaben, aber selten Freistellung von der Mandatsarbeit

Der Zeitanteil, den das Kanzleimanagement mit den Führungsaufgaben verbringt, liegt durchschnittlich bei 30%. Knapp jeder dritte Manager verbringt jedoch bis zu 50% seiner Zeit mit Aufgaben dieser Art, jeder zehnte sogar bis zu 75%. Dass nur 2% der Management Teams bzw. 17% der (Co-)Managing Partner freigestellt werden, deutet auf eine falsche Balance zwischen der Führung der eigenen Kanzlei und der Mandatsarbeit hin.

Eine Freistellung für die Führungsaufgaben genießen nur wenige Managing Partner bzw. Management Teams. Mehr als 50% bzw. knapp 75% werden von der Mandatsarbeit gar nicht freigestellt.

Die Management-Funktion bleibt häufig ohne eine Vergütung

Obgleich die Tätigkeit als Managing Partner oder Mitglied des Management Teams zusätzliche Aufgaben mit sich zieht, wird sie lediglich in seltenen Fällen vergütet. 82% der (Co-)Managing Partner und 75% der Management Teams müssen sich ohne eine zusätzliche Vergütung zufrieden geben.

Große Defizite bei den wichtigsten Managementkompetenzen sprechen bei Kanzleien für eine dringende Verbesserung

Überzeugungskraft, Durchsetzungsvermögen sowie eine klare Vorstellung über Ziele und Strategie sind für die Kanzleien – als Komponenten der Führungskompetenz – die wichtigsten Eigenschaften, welche eine Führungskraft auszeichnen sollen. An diesen scheint es jedoch zu mangeln: Nur selten sind die Kanzleien mit der Führungskompetenz ihrer Führungskräfte sehr zufrieden. Eine ähnliche Diskrepanz ist zwischen der Wichtigkeit und der Bewertung der Sozialkompetenz zu sehen: Obwohl die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit sowie Konfliktbewältigung dabei eine sehr große Rolle spielen, werden sie in den Kanzleien eher negativ bewertet. Nur etwas besser schneidet die Entscheidungskompetenz ab, welche für 55% der Kanzleien sehr wichtig und von 26% als sehr gut beurteilt wurde. Die methodische und fachliche Kompetenz scheinen für die Managementtätigkeit zweitrangig zu sein.

Die Entscheidungskompetenz des Managements ist sehr eingeschränkt. Nur in 27% der Kanzleien trifft das Management die Entscheidungen alleine.

Kanzleien müssen ihre Führungsstrukturen verändern

Mehr als die Hälfte der Befragten sehen die Notwendigkeit zur Veränderung der Führungsstruktur als dringend oder sehr notwendig an. Hingegen wird die Bereitschaft zur Veränderung als gering eingeschätzt, nur 22% sehen eine hohe Bereitschaft zur Veränderung in ihrer Kanzlei.

Große Hürden verhindern die Veränderung

Bei der Veränderung der Führungsstruktur können vor allem die Angst vor Veränderungen, das Beharrungsvermögen und starre Strukturen zum Hindernis werden. Teilnehmer der Studie bemängeln dabei auch fehlendes strategisches und unternehmerisches Denken sowie lange Entscheidungsprozesse.

Partner in Entscheidungen häufig miteinbezogen

Betrachtet man die Führungsstile in den Kanzleien, so wird deutlich, dass das Management einen großen Wert auf die Integration der Partner in seinen Entscheidungsprozess legt. Am häufigsten herrscht der konsultative Führungsstil vor. Hier informiert das Management die Partner über die beabsichtigten Entscheidungen und gibt ihnen die Möglichkeit einer Meinungsäußerung, noch bevor endgültige Entscheidungen getroffen werden. Jede fünfte Kanzlei führt sehr delegativ und erlaubt ihren Partnern als eine Gruppe zu entscheiden. Das Management fungiert lediglich als Koordinator nach innen und außen. Der strengste Führungsstil herrscht lediglich in 6% aller Kanzleien vor. Dabei entscheidet das Management autoritär ohne Konsultation der Partner.

Kanzleien geben ihrem Management Möglichkeiten zur Weiterbildung

73% der Kanzleien bieten ihrem Management Trainings mit externen Trainern an. 52% organisieren interne Akademien und 34% nutzen die Möglichkeit des Management Coachings. Ein sehr wichtiges, jedoch selten angewandtes Instrument, sind Kurse an Business Schools für Managing Partner (13%). Nur 14% bieten gar keine Qualifikationsmöglichkeiten an.

Zufriedenheit mit der Kanzleiführung lässt zu wünschen übrig

Nur 13% der Teilnehmer sind sehr zufrieden mit der Führung ihrer Kanzlei (Note 9 oder 10). Auch die Zufriedenheit mit der Führungsstruktur ist nur mittelmäßig. Ebenso die Entscheidungsprozesse und Führungsstile. Die Führung von Practices und Industry Groups wurde gleich schlecht bewertet. Die schlechteste Note hat die Zufriedenheit mit der Freistellung für die Führungsaufgaben erhalten. Dies bestätigt die These, dass das Management über zu wenig Zeit für die Führungsaufgaben verfügt, der Aufwand jedoch erheblich größer ist. Ohne einen richtigen Trade-off zwischen der Mandatsarbeit und der Freistellung für die Managementaufgaben kann die Kanzleiführung nicht richtig funktionieren.

Nur 13% der Teilnehmer sind insgesamt sehr zufrieden mit der Führung der Kanzlei.

Strategische Aufgaben außerhalb des Managementfokus

Knapp 40% der Kanzleien definieren ihre Positionierung am Markt nicht schriftlich ebenso wenig die Kanzleiziele (43%). Die Definition der Ziele erfolgt durchschnittlich für vier Jahre. Dies bleibt jedoch erfolglos, wenn keine Kanzleistrategie zur Erreichung der Ziele definiert wird. Die Strategie fehlt bei 54% der Kanzleien. Das Ergebnis deckt sich mit der geringen Zufriedenheit mit der Führung gemäß der Ziele und Strategie. Obwohl dies die Managementaufgabe ist, wird sie entweder nicht als wichtig wahrgenommen oder es fehlt die Zeit, um sich mit strategischen Themen in den Kanzleien auseinander zu setzen.

Große Kanzleien sind im Support effizienter aufgestellt. Kanzleien mit bis zu 50 Berufsträgern haben im Schnitt ein Support-Mitarbeiter-Verhältnis bezogen auf Berufsträger von 34%, ab 150 Berufsträgern liegt dies nur noch bei 19%.

Executive Summary

  1. In jeder zweiten Kanzlei ist die Führungsstruktur noch klassisch organisiert, also ohne dezidiertes Management.
  2. Es besteht ein Ungleichgewicht zwischen der Bedeutung der Führungsaufgaben und der Freistellung von Mandatsarbeit.
  3. Nur 8% der Kanzleien vergüten sowohl (Co-)Managing Partner als auch das Management Team für ihre Führungsaufgaben. 45% vergüten beide nicht.
  4. Nur wenige Entscheidungen werden vom Management alleine getroffen. Meistens bereitet das Management nur Entscheidungen vor.
  5. Die Sozial- und Führungskompetenz sind die wichtigsten Managementkompetenzen, werden jedoch häufig vernachlässigt.
  6. Vorgabe von Zielen und Strategieentwicklung werden vom Management häufig nicht erledigt.

Studiendesign

Befragt wurden mittelständische und große Kanzleien aus dem deutschsprachigen Raum. Die Studie wurde mithilfe eines Online-Fragebogens durchgeführt. In den Kanzleien wurden Managing Partner, Partner sowie COO, Kanzleimanager und Personalleiter befragt. Die Teilnehmerzahl betrug 73. Die Befragung fand im Januar 2015 statt. Die Auswertung erfolgte anonym.

nach oben