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Mandantenbefragung

Wissen, was der Mandant denkt: Einsatz von Mandantenbefragungen in Anwaltskanzleien in Deutschland

Mandantenbefragungen werden derzeit in vielen Anwaltskanzleien in Deutschland diskutiert. Die angelsächsischen Kanzleien machen es vor, wie das Marketing-Instrument Mandantenbefragung erfolgreich eingesetzt wird. Um die Diskussion mit Argumenten und Zahlen zu unterlegen und einen Überblick der derzeitigen Situation zu schaffen, führt Schoen + Company eine Untersuchung zum Thema Mandantenbefragung und Feedbacksystemen in Anwaltskanzleien in Deutschland durch.

Wie viele Kanzleien setzen Mandantenbefragungen ein?

Ein Viertel der Kanzleien führen Mandantenbefragungen durch, darunter besonders viele der Top-25-Kanzleien. Ein weiteres Viertel hat bereits erwogen eine Befragung durchzuführen. Nur ein Sechstel lehnt Befragungen ab, der Rest ist indifferent. Bereits eine Kanzlei führt Mandantenbefragungen jährlich durch. Die Anderen nutzen dieses Instrument unregelmäßig oder sehen dies als kontinuierlichen Prozess an.

Warum werden Mandantenbefragungen durchgeführt?

Die Kanzleien führen Mandantenbefragungen in erster Linie zur Qualitätskontrolle und zur Verbesserung der Mandantenbeziehung durch. Strategische Gründe haben ebenfalls eine hohe Bedeutung. Dagegen ist die Erschließung von Upselling- Potenzial nur bei einem Viertel der Kanzleien ein Motiv. In zunehmendem Maße fordern auch Mandanten von ihren Kanzleien Befragungen. Bei den Kanzleien, die schon einmal erwogen haben eine Befragung durchzuführen, scheiterte dies wegen des Zeit- und Arbeitsaufwand oder Umsetzungsschwierigkeiten. Kanzleien lehnen Befragungen ab aus Angst, gegenüber den Mandanten lästig zu wirken und weil sie glauben, eine Mandantenbefragung passe nicht zum Anwaltsmarkt.

„Wir nutzen die Mandantenbefragung als Alleinstellungsmerkmal bei unseren Mandanten.“ Business Development Manager einer Großkanzlei


 

In welcher Form findet die Mandantenbefragung statt?

Präsenzinterviews werden bei allen Mandantenbefragungen eingesetzt. Zusätzlich werden die Mandanten schriftlich oder telefonisch befragt. Online-Befragungen kommen erst selten zum Einsatz. Bei mehr als der Hälfte der Kanzleien werden mehrere Befragungsformen gleichzeitig eingesetzt. Dann werden hauptsächlich die wichtigsten Mandanten per Präsenzinterview befragt.

Durch die Form der Befragung wird automatisch die Länge mitbestimmt, so dass die Präsenzinterviews 30 bis 90 Minuten Zeit in Anspruch nehmen, die Telefoninterviews 15 bis 30 Minuten und die schriftliche sowie die Online-Befragung 10 bis 15 Minuten. Die Anzahl der Fragen gestaltet sich individuell nach Zielsetzung und liegt im Durchschnitt bei 30 Fragen.

Wer ist an der Mandantenbefragung beteiligt?

Die Hälfte der Kanzleien führt die Mandantenbefragung in Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleister durch, was zahlreiche Vorteile hat: Objektivität und Neutralität bei den Gesprächen; Ein von der Kanzlei beauftragter Berater signalisiert dem Mandanten Professionalität der Befragung; Die Gesprächspartner sind eher gegenüber einem Dritten bereit, ehrliche Aussagen zu machen; Erfahrung mit der Durchführung von Mandantenbefragungen; Zeitliche Verfügbarkeit und damit zeitgerechte Durchführung der Interviews. Die Abteilungen für Business Development und Marketing sind meistens in der Konzeption aber selten in der Durchführung der Interviews beteiligt. Die Client Partner und das Management-Team sind bei fast allen Kanzleien zumindest teilweise bei der Befragung involviert. Bei der Konzeption der Inhalte sind die Client Partner nur bei einem Drittel der Kanzleien beteiligt. Die Adressaten der Befragung sind überwiegend die Rechtsabteilungsleiter sowie die Rechtsabteilungsmitarbeiter. Des Weiteren werden vereinzelt Geschäftsführer, Vorstände, Patentabteilungen sowie Bankdirektoren befragt.

Welche Inhalte werden abgefragt?

Alle Kanzleien stellen Fragen zur Beurteilung der Kanzlei und zur Arbeitsweise. Dicht darauf folgen Inhalte wie Leistungsspektrum, Preis-Leistungs-Verhältnis, Beurteilung des Mandats, Anregungen, Zufriedenheit der Mandanten, Beurteilung des Partners und aller beteiligten Anwälte. Hier zeigt sich deutlich, dass nicht nur die häufig zitierte Zufriedenheit abgefragt wird, sondern dass ein differenziertes Bild des Mandats und konstruktive Fragen viel wichtiger sind. Hingegen werden Fragen zu Empfehlungen und zum Image nur von zwei Dritteln eingesetzt. Themen wie Cross-Selling, Bedeutung von Marketingmaßnahmen und Upselling trauen sich nur sehr wenige Kanzleien zu hinterfragen. Hierzu gibt es noch Entwicklungspotenzial hinsichtlich der Zielsetzung und Durchführung von Mandantenbefragungen.

Wie werden die Ergebnisse ausgewertet?

Drei Viertel der Kanzleien werten die Ergebnisse qualitativ aus, knapp die Hälfte mandatsbezogen und nur ein Viertel quantitativ. Eine Gesamtsicht der Ergebnisse wird hingegen selten erstellt. Die Teilnehmer der Mandantenbefragung werden von allen Kanzleien über die Ergebnisse informiert. Dies geschieht bei 75% der Kanzleien in Form einer schriftlichen Zusammenfassung. In wenigen Kanzleien entscheiden die Client Partner individuell für ihre Mandanten, ob sie eine Zusammenfassung oder ausführlichere Ergebnisse erhalten.

Wird die Umsetzung von Veränderungen kontrolliert?

Aus der Mandantenbefragung werden individuelle Maßnahmen abgeleitet. Alle Kanzleien geben an, die Umsetzung der aus der Mandantenbefragung abgeleiteten Veränderungen zu kontrollieren. Verantwortlich hierfür sind bei mehr als der Hälfte der Kanzleien die zuständigen Partner bzw. das Management. Bei einer Kanzlei ist hierfür speziell ein Client Service Team verantwortlich.

Gibt es ein systematisches Beschwerdemanagement für Mandanten?

Während die Mandantenbefragung ein proaktives Instrument ist, stellt das Beschwerdemanagement ein reaktives Instrument dar. Ein Drittel der befragten Kanzleien haben ein systematisches Beschwerdemanagement. Bei fast allen sind Vertrauenspartner für Rückmeldungen vorhanden. Eine Kanzlei hat hierfür sogar eine spezielle Telefonnummer eingerichtet. Spezielle Anlaufstellen innerhalb der Kanzleien gibt es jedoch sonst nicht. Die Beschwerden erfolgen sowohl mündlich als auch schriftlich. Bei 25% der Kanzleien wird mit den Beschwerden situationsbedingt umgegangen.

Gibt es eine kanzleiinterne Mandatsbeurteilung?

Ein kanzleiinternes Mandatsbeurteilungssystem ist ein zusätzliches Instrument zur Verbesserung der Mandatsarbeit. 35% der Kanzleien besitzen eine Mandatsbeurteilung. Zeitlich geschieht die Bewertung sehr unterschiedlich. Einige Kanzleien führen die Bewertung einmal pro Jahr durch, andere wiederum direkt nach Abschluss des Mandats. Für die Durchführung sind bei allen Kanzleien die Partner selbst zuständig.

„Wir führen permanent nach Mandatsende eine Beurteilung durch. Diese erfolgt schriftlich durch die einzelnen Anwälte oder Standortleiter.“ Marketing Managerin einer internationalen Kanzlei.

Executive Summary

  1. Ein Viertel aller Kanzleien führen Mandantenbefragungen durch.
  2. Ein Viertel erwägt eine Befragung durchzuführen.
  3. Die wichtigsten Gründe sind Qualitätskontrolle und Verbesserung der Mandatsbeziehung.
  4. Externe Dienstleister sind bei der Hälfte aller Befragungen beteiligt.
  5. Präsenzinterviews sind die bevorzugte Form der Durchführung.
  6. Die wichtigsten Inhalte sind die Beurteilung der Kanzlei und die Arbeitsweise.
  7. Veränderungsmaßnahmen werden nur individuell abgeleitet.
  8. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgt qualitativ.
  9. Ein systematisches Beschwerdemanagement ist nicht weit verbreitet.
  10. Eine interne Mandatsbeurteilung wird nur punktuell durchgeführt.

Studiendesign

Befragt wurden 100 deutsche Anwaltskanzleien unterschiedlicher Größe. Die Studie wurde schriftlich, durch einen Fragebogen gestützt durchgeführt. In den Kanzleien wurden Managing Partner, Partner, Marketingleiter oder Leiter des Business Developments befragt.

Die Teilnahmequote betrug 32%. Die Befragung fand im September 2007 statt. Die Auswertung erfolgte anonym.

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