Study

Gewinnverteilungssysteme in Kanzleien

Wie sind die Systeme aktuell gestaltet und was muss sich ändern?

Gewinnverteilungssysteme sind ein strategisch wichtiges Element zur Weiterentwicklung der Kanzlei. Je nach Typ und Ausgestaltung motiviert es die Partner zu besonderem Verhalten. Auch für Partnerernennungen, Zusammenschlüsse sowie für die Kanzleikultur ist es prägend. Die aktuellen Gewinnverteilungssysteme sind meist historisch gewachsen. Aber sind Kanzleien damit auch gut für die Zukunft gerüstet? Für diese Studie wurden Partner von Kanzleien im deutschsprachigen Raum befragt. 152 Antworten fließen in diese Studie ein.

Alter der Gewinnverteilungssyteme

Ein Drittel der Systeme stammt aus dem 20. Jahrhundert und wurde bisher nicht angepasst. In den letzten 5 Jahren haben allerdings mehr als 30 % der Kanzleien ihr System erneuert.

Notwendigkeit zur Veränderung

20 % der Partner sehen eine dringende Notwendigkeit zur Veränderung des Gewinnverteilungssystems. Für weitere 41 % ist eine Veränderung notwendig. Demgegenüber stehen insgesamt 33 % der Befragten, die eine Veränderung als nicht notwendig erachten. Die Notwendigkeit hängt insbesondere vom vorhandenen Systemtyp ab: Hohen Veränderungsdruck gibt es bei der Gewinnverteilung nach Gesellschaftsanteilen (64 %) und im Lockstep-System (60 %). Keine Veränderung wünscht man sich insbesondere im Equal-Share-System (88 %), welches aber nur selten vertreten ist.

Ein Drittel der Systeme ist älter als 15 Jahre. Viele Partner haben den Wunsch nach Veränderung.

Gründe für eine Veränderung

Als Top 5-Gründe für eine Veränderung des Gewinnverteilungssystems wurden genannt (Mehrfachnennungen waren erlaubt):

  1. Unzufriedenheit mit den bisherigen Regeln (54 %)
  2. Erhöhung der Attraktivität für neue Berufsträger (54 %)
  3. Stärkung der Akquise (48 %)
  4. Modernisierung der Kanzlei (39 %)
  5. Ernennung neuer Partner in der Kanzlei (26 %)

Zahlreiche Systemkombinationen in aktuellen Systemen

Derzeit sind 42 % „reine“ Systeme. Insbesondere das Lockstep-System ist mit 17 % in Reinform und mit 15 % in einem Mischsystem (>50 %) vorherrschend. Auch die Gewinnverteilung nach Zahl der Gesellschaftsanteile ist mit 10 % in Reinform vertreten.

Mischsysteme gibt es in den unterschiedlichsten Ausprägungen. Insgesamt sind 38 % der dargestellten Kombinationen 2er-Systeme (9 % sind 50/50-Kombina-tionen). Kombinationen mit drei unterschiedlichen Elementen finden sich in 16 % der Kanzleien, Kombinationen aus 4 oder 5 Elementen nur bei 3 %.

Systeme, basierend auf Merit-Based-Komponenten, sind momentan bei 44 % der Kanzleien vorhanden. Reine Merit-Based-Systeme findet man nur in 4 % der Kanzleien, bei 10 % ist es aber vorherrschend (>50 %).

Im Vergleich aller möglichen Systeme und Kombinationen ist im Moment das Eat-What-You-Kill-System auf Teamebene am wenigsten im Einsatz.

Faktoren im Lockstep-System

Die Gestaltungsformen der Lockstep-Systeme sind vielfältig. Maximale Punktzahlen reichen von 10 bis zu 1.000 Punkten. Ein Schwerpunkt liegt auf der Systemvariante mit maximal 100 Punkten.

Die Einstiegspunktzahl variiert zwischen 10 % und 60 % der Maximalpunktzahl. Ein Schwerpunkt liegt im Bereich von 25 % bis 40 %. Die jährliche Erhöhung der Punkte schwankt zwischen 1 % und 17 % mit einem Schwerpunkt von 4 % bis 5 % pro Jahr.

Erhöhung der Punktzahl

Bei der Hälfte der Kanzleien erfolgt die Punktzahlerhöhung automatisch zum neuen Jahr. In einigen Fällen muss der Vergütungsausschuss über das Durchschreiten eines Gates entscheiden.

Ist die jährliche Erhöhung der Punktzahl an bestimmte Kriterien gebunden, so sind der Umsatz (18 %), die Performance (9 %) und Akquise (6 %) entscheidend. Dabei wird manchmal externe Hilfe zur Evaluierung hinzugezogen (9 %).

Einstieg von Laterals ins Lockstep-System

Ein Lateral wird in vielen Kanzleien anhand des erwarteten Umsatz- und Gewinnbeitrages eingestuft, die in einem Business Case darzulegen sind. Die Seniorität spielt bei einigen Kanzleien ebenso eine wichtige Rolle. Das Ergebnis der individuellen Bewertung wird oftmals verhandelt und nach 1-2 Jahren nachgesteuert.

Gewünschte Systeme: Merit-Based ist im Kommen

Betrachtet man das Wunschbild, haben insbesondere die „reinen“ Lockstep-Systeme und die Verteilung nach Gesellschaftsanteilen verloren. Ehemals bei 17 % bzw. 10 % reduziert sich ihr Anteil auf 12 % bzw. 2 %.

Deutlicher Gewinner ist das Merit-Based-Modell. Sowohl die Anzahl der Nennungen steigt von 44 % auf 73 % als auch die Gewichtung in Mischsystemen. Auch das Equal-Share-System gewinnt bei den Nennungen leicht von 21 % auf 27 %.

Tendenziell sollen mehr Komponenten in den Gewinnverteilungssystemen zur Geltung kommen: 2er-Systeme legen um 3 % zu, 3er-Systeme gewinnen 8 %, 4er- und 5er-Systeme legen zusammen um 9 % zu. Drei Studienteilnehmer kreierten sogar ein Gewinnverteilungssystem bestehend aus sechs Typen.

Merit-Based-Elemente

In aktuellen Merit-Based-Systemen wird in 83 % der Fälle die Akquiseleistung berücksichtigt, aber selten maßgeblich. Danach folgen die Abarbeitung des Mandats als Einzelperson (64 %) und im Team (58 %) so-wie die Berücksichtigung von Management-Tätigkeiten (58 %).

Recruiting, Marketing oder Admin und IT werden in geringerem Maße berücksichtigt, vielleicht weil diese Tätigkeiten bereits durch Fachmitarbeiter unterstützt werden.

Unter Sonstiges finden sich Angaben wie bspw. die Auslastung der Associates, internationale Netzwerktätigkeiten und Weiterentwicklung der eigenen Kanzlei über Verbesserung der Prozesse und Entwicklung der Mitarbeiter.

Zufriedenheit und Gerechtigkeit

Trotz einer überwiegend hohen Zufriedenheit wird die Gerechtigkeit der aktuellen Systeme nicht gleichermaßen positiv bewertet. 58 % der Partner sind überwiegend zufrieden, eher unzufrieden sind 30 %. Als ungerecht empfinden hingegen 37 % der Partner ihr System.

Strategische Faktoren

Die Wahl des Systemtyps hat Auswirkungen auf strategische Entwicklungsfaktoren der Kanzleien. Durch Lockstep-Systeme wird zwar die geringste Partnerfluktuation bewirkt aber auch der geringste Leistungsanreiz gesetzt, gleichwohl werden Cross-Selling und Weitergabe von Mandaten sehr positiv bewertet. Aktive Akquise, Leistung und Zusammenarbeit werden am stärksten durch Merit-Based-Systeme beeinflusst. In Systemen mehrheitlich nach Gesellschaftsanteilen wird die Akquise extrem negativ motiviert, ebenso Partnerernennungen und Weitergabe von Mandaten.

Bewertung von Einflussfaktoren

Die Seniorität bzw. Zugehörigkeitsdauer wird im Vergleich zu allen anderen Faktoren über-wiegend als „zu viel berücksichtigt“ wahrgenommen. Demgegenüber stehen die anderen acht Faktoren, die überwiegend als „zu wenig berücksichtigt“ bewertet werden.

An der Spitze dieser Faktoren stehen die Marketing-Tätigkeiten der Partner. 58 % der Antwortenden geben an, dass diese zu wenig (17 % davon mit der schlechtesten Note) berücksichtigt werden. Auf dem zweiten Rang liegen die Recruiting-Tätigkeiten.

Wie auch schon zuvor gezeigt, wird die Komplexität der Systeme zur differenzierten Beurteilung des Gewinns eines Partners zunehmen. In reinen Lockstep- und Eat-What-You-Kill-Systemen können diese Faktoren jedoch nicht hinreichend berücksichtigt werden.

Transparenz der Systeme

Die Transparenz des aktuellen Systems bewerten 40 % der Antwortenden mit der Höchstnote. Insgesamt sehen rund 72 % die Transparenz mehr oder minder positiv. Dementgegen stehen rund 25 %, die die Transparenz negativ bewerten.

Kenntnis der Vergütung

In 87 % der Kanzleien wissen die Partner, was die anderen Partner verdienen. Nur in 5 % der Kanzleien haben die Partner keine und in 8 % nur teilweise Kenntnis von der Vergütung der anderen.

Berechnung der Vergütung

In 52 % der Kanzleien gibt es ein klares Rechensystem. Teils gibt es manuelle Anpassungen (durch einen Beirat) oder Sonderregelungen bonusberechtigter Partner für einen kleinen Teil des zu verteilenden Gewinns.

Einen Vergütungsausschuss setzen 28 % der Kanzleien ein. Bemängelt werden Nepotismus und die Dominanz der älteren Anteilseigner im Vergütungsausschuss sowie Hinterzimmerpolitik bei Sonderboni.

Eine Kombination aus Rechensystem und Vergütungsausschuss haben 6 % der Kanzleien. In 13 % der Fälle entscheidet direkt die Partner-/Gesellschafterversammlung.

Einheitlichkeit der Systeme

Dreiviertel der Kanzleien haben Systeme, die landesweit einheitlich sind. Unterschiedliche Gewinnverteilungssysteme je Standort in Deutschland gibt es immerhin noch bei 12 % der Kanzleien. Die Gewinnverteilung ist in einigen Kanzleien sogar auf internationaler (10 %) bzw. europäischer Ebene (1 %) einheitlich.

Gewinnmargen

Die höchsten Gewinnmargen werden mit Eat-What-You-Kill-Systemen nach Teamleistung erzielt, aber auch einige Kanzleien mit Lockstep erreichen Gewinnmargen von über 50 % vom Umsatz. Bemerkenswert ist, dass Eat-What-You-Kill-Systeme nach Einzelleistung ähnliche Gewinnmargen aufweisen wie Gewinnverteilungssysteme nach Zahl der Gesellschaftsanteile. Equal-Share-Systeme haben überwiegend geringe Gewinnmargen.

Gewinnpools

Die Gewinne der Kanzleien fließen vor der Verteilung zu 83 % in Pools, bei 15 % werden keine Pools eingesetzt.

Gewinne der Partner

Die Gewinnausschüttungen differieren in Abhängigkeit von der Kanzleigröße und dem Senioritätslevel. Local Partner und Counsel liegen gleich auf, Einkünfte über 300 T€ sind eher selten. Nur 15 % der Partner verdienen über 500 T€. Managing Partner und Senior Partner liegen erwartungsgemäß leicht über dem Niveau der Partner.

Executive Summary

  1. Ein Drittel der Systeme ist älter als 15 Jahre.
  2. Ein Drittel der Partner ist unzufrieden und findet das System ungerecht.
  3. Insgesamt 61 % der Partner sehen eine Notwendigkeit zur Anpassung.
  4. 42 % aller Systeme basieren rein auf einem Typus, die anderen sind Mischsysteme.
  5. In Lockstep-Systemen wird die Leistung negativ beeinflusst und in Merit-Based-Systemen die Partnerernennung.
  6. Merit-Based-Systeme werden zukünftig stark zunehmen.
  7. Komplexere Systeme, die viele Einflussfaktoren berücksichtigen, werden gewünscht.
  8. Insbesondere sollen Marketing, Akquisitionsleistung und Management-Aufgaben stärker berücksichtigt werden.
  9. Die höchsten Gewinnmargen werden mit Eat-What-You-Kill-Systemen nach Teamleistung und mit einigen Lockstep-Systemen erzielt.

Studiendesign

Befragt wurden Partner in mittelständischen und großen Kanzleien aus dem deutschsprachigen Raum. Die Studie wurde mithilfe eines Online-Fragebogens durchgeführt.

125 Teilnehmer haben den Fragebogen komplett beantwortet, insgesamt gab es 152 Teilnehmer. Die Befragung fand im November 2015 statt. Die Auswertung erfolgte anonym.

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